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Der Verlust der heiligen Firmung durch die

Reformation

 

Philippus kam hinab in die Hauptstadt Samariens und predigte ihnen von Christus. Das Volk aber neigte sich dem, was Philippus sagte, einmütig zu, wie sie hörten und sahen, was er für Zeichen tat. Denn die unsaubern Geister fuhren aus vielen Besessenen aus mit großem Geschrei, auch viele Gichtbrüchige und Lahme wurden gesund gemacht; und ward eine große Freude in derselben Stadt. Da sie aber glaubten den Predigten des Philippus von dem Reich Gottes und von dem Namen Jesu Christi, ließen sich taufen Männer und Frauen. Da aber die Apostel hörten zu Jerusalem, daß Samarien das Wort Gottes angenommen hatte, sandten sie zu ihnen Petrus und Johannes. Die kamen hinab und beteten für sie, daß sie den heiligen Geist empfingen. Denn er war noch auf keinen von ihnen gefallen, sondern sie waren allein getauft auf den Namen des Herrn Jesus. Da legten sie die Hände auf sie, und sie empfingen den heiligen Geist.
(AG 8,5-8+12+14-17)

Gott hat durch Martin Luther Großes an seiner Kirche getan. Damals war das Evangelium von tausend Legenden überwuchert. Luther hat die Bibel wieder in den Mittelpunkt der Kirche gerückt; und damit sie jeder lesen kann, hat er sie uns ins Deutsche übersetzt. Das war eine große Tat, für die wir gar nicht genug dankbar sein können. Die Gottesdienste fanden damals auf Latein statt, so daß kein einfacher und normaler Mensch etwas verstehen konnte. Gepredigt wurde bei der Messe sowieso nicht. Martin Luther hat uns den deutschen Gottesdienst geschenkt, mit deutscher Liturgie und deutschen Gebeten und mit regelmäßiger Predigt. Damals hatte kein Christ eine Heilsgewißheit. Niemand konnte fest hoffen, in den Himmel zu kommen. Würde der gerechte Gott nicht fast alle Menschen in die Hölle verdammen, ausgenommen nur die Heiligen? Mußte man nicht wenigstens mit vielen Jahren Fegefeuer rechnen, vielleicht mit tausend Jahren oder zehntausend? Dagegen hat uns Luther eine feste Zuversicht geschenkt: Wer an Jesus Christus glaubt und um Vergebung bittet, kommt in den Himmel und braucht nicht einmal das Fegefeuer zu fürchten. Gott sei Dank! Martin Luther war ja nur sein Werkzeug.

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Früher haben die evangelischen Christen nicht nur Gott gedankt, sie hatten auch Triumpfgefühle gegenüber der katholischen Kirche. Das Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ wurde im Stehen gesungen. Seht her! das sind wir, die aufrechten, bibeltreuen, standfesten lutherischen Christen! Das hat sich aber in den letzten Jahrzehnten gründlich geändert. Inzwischen ist unsere geliebte evangelische Kirche so herabgesunken und zum Teil vom Glauben abgefallen, daß uns jeder Triumpf im Halse stecken bleibt. Anders als früher spüren wir heute auch den Schmerz der Kirchenspaltung; und wir merken allmählich, daß uns die Reformation auch einige Verluste gebracht hat. Zu einem besonders schmerzlichen Verlust möchte ich heute ein paar Worte sagen.

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Wir stellen uns einmal eine alte Frau vor. Früher war sie tüchtig und verheiratet. Dann starb der Mann, sie lebte allein im großen Haus und fing das Trinken an. Das Haus und der Garten verkamen. Schließlich starb auch die Frau, und der Sohn und die Schwiegertochter übernahmen das alte, elterliche Haus.

Aber wie sah es dort aus? Kaputte und ungewaschene Wäsche türmte sich in allen Zimmern, auch im Wohnzimmer, auf dem Tisch, auf den alten Sesseln und in der Ecke. In der Küche war das Geschirr seit langer Zeit unabgewaschen; nicht im Schrank, sondern in der Spüle, auf dem Fensterbrett und dem Fußboden. Der Mülleimer war seit langem nicht entleert, der Abfall in der Ecke - unbeschreiblich!

Die jungen Leute  beginnen also mit den Aufräumarbeiten. Alle Wäsche - weg damit, in den Kontainer! All die alten, dreckigen, angestoßnen Teller und Schüsseln - weg damit! Das Besteck wird sortiert, einiges wird gewaschen und aufgehoben. Anderes ist abgenutzt und verbogen - weg damit! Die Gardienen, die Lampen, die Möbel - alles weg, wir fangen neu an.

In solch einem Wegwerfrausch wird dann auch schon einmal etwas weggeworfen, was man eigentlich noch brauchen konnte. „Hier! ein alter Schlüssel!? Etwas merkwürdig, er paßt in keine Tür und in keinen Schrank. - Ach, weg damit, in den Mülleimer!“ Da kommt drei Tage später hinter dem großen Bild ein Tresor zum Vorschein. Der Schlüssel gehörte offensichtlich zum Tresor. Schade, er ist in den Mülleimer geworfen und der ist gestern geleert worden. Was Nun?

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So ist es auch in der Reformation geschehen. Luther und seine Mitstreiter haben viele katholische Mißstände und Gewohnheiten entrümpelt. Das haben sie im Großen und Ganzen gut und verantwortungsbewußt gemacht, aber es sind ihnen auch Fehler unterlaufen. Da gab es die vielen Heiligenlegenden. Margareta und der Drache - weg damit! Die vierzehn Nothelfer - weg damit. Die Legenden von der Kindheit der Maria - weg damit. Da gab es die vielen merkwürdigen Segnungen. Die Kräutersegnung an Mariä Himmelfahrt, die Weinsegnung am Johannistag, die Segnung des Wetters - alles weg!

Da gab es die vielen Winkelmessen - in den Seitennischen der großen Dome zehn oder zwanzig Altäre. Vor dem einen Altar stand ein Priester ganz allein und feierte seine Messe; er war gerade bei der Epistel, die er halblaut las. Zwei Altäre weiter ein anderer Priester, auch er allein, aber schon beim Evangelium.  Ein kleines Stück weiter der dritte Priester, der gerade eben die Wandlung vollzogen hatte. Auch er ganz allein für sich. Warum feiern die drei nicht einen gemeinsamen Gottesdienst? Und warum gibt es hier keine Gemeinde - wenn es wenigstens zwei oder drei Gemeindeglieder wären? Alle diese Winkelmessen hat Martin Luther abgeschafft. Jeder Gottesdienst ist prinzipiell ein Gemeindegottesdienst.

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Da gab es auch das heilige Öl, das hochgeweihte Chrisam. Davon ist schon in der Bibel die Rede. Weg damit! hat Luther entschieden: Das ist alles „Schmierkram“. Und da gab es damals auch die  Konfirmation. Sie wurde nur von den Bischöfen vollzogen, mit heiligem Chrisam, zur Stärkung des Glaubens. Das brauchen wir nicht, hat Luther entschieden, wir haben ja die Bibel und die Predigt und die Taufe und das Abendmahl. Das alles stärkt den Glauben. Die bischöfliche Konfirmation ist überflüssig. Man kann es sich kaum vorstellen, aber zur Zeit der Reformation ist jede Konfirmation abgeschafft und unterlassen worden. Erst langsam kam einigen evangelischen Pastoren der Zweifel: Es steht doch in der Bibel. Die Apostel Petrus und Johannes haben in Samaria die getauften Christen mit Handauflegung und Gebet im Glauben gestärkt und konfirmiert. Müßte das nicht in der evangelischen Kirche genauso geschehen?

Man hat also die Konfirmation noch einmal neu erfunden. Ein Bischof schien jetzt allerdings nicht nötig zu sein. Man meinte, das könne jeder Pastor. Auch geweihtes Chrisam schien nicht mehr nötig. Es reicht doch eigentlich die Handauflegung. Außerdem hat man sich nicht mehr getraut, um den Heiligen Geist zu beten, wie das ja in der Apostelgeschichte der Fall war. Bei der evangelischen Konfirmation wird nur um die Gaben des Heiligen Geistes gebeten, also nur um die Hilfe, nicht um den Geist selber. Es wird nicht darum gebetet, daß in der Person des Heiligen Geistes, die ganze heilige Trinität in uns Wohnung nimmt.

Die neu erfundene evangelische Konfirmation ist also nicht genau das selbe, wie das, was man zur Zeit der Reformation abgeschafft hatte. Abgeschafft war und blieb die bischöfliche Konfirmation, die Salbung mit geweihtem Chrisamöl und das Gebet um den Geist Gottes als eine Person der heiligen Trinität.

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Wir wollen nicht undankbar sein. Luther und die Reformation haben uns viel gegeben. Wenn sie jedoch im Eifer des Gefechtes eine falsche Entscheidung gefällt haben, liegt es an uns, das Verlorengegangene wieder zurückzugewinnen. Was die bischöfliche Konfirmation anbetrifft, haben einige evangelische Theologen den Schlüssel doch noch gefunden, der zum verborgenen Panzerschrank paßt.

Wer den Panzerschrank öffnet, findet dort ein priesterliches Gewand und eine Königskrone. Durch die bischöfliche Konfirmation hat der Christ Anteil am königlichen Priestertum des neuen Bundes. Die evangelische Konfirmation ist gut. Wir wollen sie nicht verleugnen. Vor allem der Konfirmandenunterricht ist besonders gut und wichtig. Die Konfirmation durch einen Bischof in der Nachfolge der Apostel mit Handauflegung, hochgeweihtem Chrisamöl und dem Gebet um die Herabkunft den Heiligen Geistes ist aber noch besser, noch hilfreicher und glaubensstärkender. Die große, bischöfliche Konfirmation sollte in der evangelischen Kirche wieder eingeführt werden. In manchen evangelischen Gemeinden geschieht das schon, allerdings heimlich. Die Verhältnisse in unserer Kirche erlauben es zur Zeit noch nicht anders. Aber es gibt sie: die bischöfliche Konfirmation. Was in der Reformationszeit verloren ging, braucht ja nicht für alle Zeit verloren zu sein.